Um ein besseres Bild der Zukunft des Typografie-Handwerks zeichnen zu können, habe ich den Typo-Experten Frank Rausch gebeten, zum Thema Stellung zu beziehen. Das erste von drei Interviews.

Ein Blick in die Zukunft: Wir schreiben das Jahr 2030. Wie sieht die Arbeit des Buchgestalters aus?
Buchgestaltung wird sich in zwei Disziplinen aufteilen: Die analoge Buchgestaltung wird weiterhin für die Nische der gedruckten Bücher existieren. Papierbücher werden zum exotischen Luxusgut, zum Hobby, zum Nostalgie-Objekt, so wie man es bei analogen Schallplatten heute schon beobachten kann.
Die digitale Buchgestaltung wird vermutlich anders heißen, aber dieselben hohen Qualitätsansprüche an Typografie und Handwerk haben, wie sie bei gedruckten Büchern angestrebt wurden. Die Arbeitsweise wird allerdings komplett anders sein: Statt statische Layouts endgültig zu setzen, werden Buchgestalterinnen Layout-Regeln und Anforderungen definieren und programmieren, aus denen dann automatisch konkrete Layouts abgeleitet werden.

Wird gute Typografie in Zukunft noch Anwendung finden?
Selbstverständlich wird gute Typografie in Zukunft gebraucht werden; nicht mehr und nicht weniger als jetzt oder vor 100 Jahren.

Welche Wünsche hast du für eine voranschreitende Automatisierung von Typografie?
Die Automatisierung sollte weichere und fließendere Kriterien haben. Starre Regeln anzuwenden schafft höchstens korrekte (weil regelkonforme) Typografie. Menschliche Typografie hingegen bedeutet, Einzelfälle abzuwägen. Siehe auch nächster Punkt.

Glaubst du, dass sich gute Typografie komplett automatisieren lässt? Gibt es Gefahren oder Grenzen der Automatisierung?
Einige Kriterien für gute Typografie lassen sich gut automatisieren, zum Beispiel die Befolgung korrekter Syntax und ein Großteil der Orthotypografie. Schwierig wird es bislang immer dann, wenn das geschulte Auge der Gestalterin gefragt ist, wenn also etwas gleichzeitig nach weichen ästhetischen und inhaltlichen Kriterien beurteilt werden soll, um eine Entscheidung abzuleiten. Ein gutes Beispiel dafür sind Flattersatzausgleich und, allgemeiner, die Entscheidungen, wo Zeilenumbrüche hingehören.

Wie kann man den Wert guter Typografie erhalten und das Bewusstsein dafür schärfen?
Es muss in gute handwerkliche Ausbildung investiert werden, das heißt vor allem: Gute Gestalterinnen befähigen, eigenständig technische Innovationen hervorzubringen. Die Werkzeuge und Arbeitsweisen müssen den modernen Gegebenheiten angepasst werden, dazu muss die Grenze zwischen Gestaltung und Programmierung aufgeweicht werden.

Gibt es noch etwas, das du zukünftigen Buchgestaltern mit auf den Weg geben möchtest?
Papier hat als Buchstabenträgermedium für die breite Masse keine Zukunft.



Herzlichen Dank an Frank Rausch für das Interview und Norman Posselt für das Portrait.